Anlagestrategien heute: So investieren Sie wie die Profis
12.12.2023 • 8 Minuten Lesezeit
Alles Wichtige über die 10 gängigsten Strategien für Privatanleger:innen – und wie Sie herausfinden, welche sich für Sie eignet.
Inhalt
Das Wichtigste in Kürze
- Je nach Anlagestrategie handelt es sich um unterschiedliche Vorgehensweisen oder um inhaltliche Schwerpunkte, z.B. einen Fokus auf Schwellenländern oder erneuerbaren Energien.
- Um die richtige Anlagestrategie für Sie zu finden, sollten Sie Ihr Budget, Ihre Finanzkenntnisse und Ihr Mindset in Ihre Überlegungen einbeziehen.
- Aktive vs. passive Anlagestrategie: Aktive Anlagestrategien erfordern Ihr Handeln sowie eigenständiges Umschichten Ihrer Investments – und damit auch einiges an Erfahrung und Finanzwissen.
- Für Neu-Anleger:innen eignen sich vor allem passive Anlagestrategien, wie z.B. die Index-Strategie oder „Buy and Hold”.
Wer heute über Geldanlagen nachdenkt, braucht gute Nerven – und mehr als ein paar oberflächliche „Tipps“. Niemals zuvor in der Geschichte der modernen Ökonomien war es wichtiger, rational und strukturiert an das Thema heranzugehen. Nur mit nüchternem Denken und diszipliniertem Handeln lassen sich zumindest die Chancen nutzen, die es auch heute – immer noch – gibt.
Anlagestrategien sind kein Hexenwerk
Mehr denn je suchen Privatanleger:innen heute Antworten auf die Frage, wie sie in der aktuellen Situation ihr Geld noch sinnvoll anlegen können. Dabei werden sie unweigerlich auch auf Seiten stoßen, auf denen Anlagestrategien als eine Art Zaubermittel dargestellt werden.
Dazu sage ich Ihnen ganz klar: Strategien sind rational. Sie sind kein okkultes Rezept zum Goldmachen. Und was noch wichtiger ist – nicht die Strategie ist die Kunst, sondern diejenige zu finden, die zu Ihnen passt, zu Ihrer Persönlichkeit, Ihren Kenntnissen und Zielen.
Gerne verwechselt werden übrigens „Anlagestrategien“ und „Anlageformen“. Es kann durchaus Teil einer Investmentstrategie sein, z.B. vorzugsweise Aktienfonds oder ETFs oder Anleihen im Portfolio zu halten. Doch die Strategie beschreibt nicht die Anlage, sondern das, was Sie damit machen.
Das kleine Einmaleins des Investierens
1. Gut verteilt sinkt das Risiko
Diversifikation ist der einfachste Weg, das Risiko zu senken. Setzen Sie auf mehrere unterschiedliche Anlagen. Fonds machen das von Haus aus so. Dabei konzentrieren sich die meisten allerdings auf eine einzige Anlageform. Verschiedenartige Anlageformen gebündelt werden von Multi Asset Fonds – nicht zu verwechseln mit Dachfonds, die nicht Einzelwerte bündeln, sondern Fonds. Eine gute Orientierungshilfe ist dabei die Einteilung in Risikoklassen. Sie zeigt Ihnen, ob eine Anlageform Ihrer Risikobereitschaft entspricht.
2. Lassen Sie sich Zeit
Der Anlagehorizont ist der Zeitraum, den Sie sich vornehmen, Ihre Wertpapiere zu halten. Für private Anleger:innen ist ein weiter Horizont schon immer empfehlenswert. Kurzfristige Spekulationen sind meist hochriskant, erfordern echtes Profiwissen und ein „Spielgeld", bei dem selbst der Totalverlust nicht übermäßig weh tut.
3. Bleiben Sie sich treu
Wenn Sie sich – nach reiflicher Überlegung – für eine Anlagestrategie entschieden haben: Bleiben Sie dabei! Strategien schützen nur dann vor Kurzschlussreaktionen oder emotionalen Entscheidungen „aus dem Bauch", wenn man sich an sie hält.
Die 10 wichtigsten Anlagestrategien für Privatanleger:innen
Strategien können Verfahrensweisen sein, aber auch eine inhaltliche Ausrichtung zum Beispiel nach Branchen, nachhaltige Geldanlagen, Schwellenländern, Investitionen in erneuerbare Energien etc. Hier soll es vor allem um Verfahrensweisen gehen – die Sie übrigens auch kombinieren können:
Folge dem Index
- Level: Einsteiger
- Engagement: passiv
Der Begriff Index-Strategie sagt es bereits: Die Geldanlage folgt in ihrer Zusammensetzung einem Index. Dies ist meist ein Aktienindex; es gibt aber auch Indizes für Anleihen, Rohstoffe, bestimmte Branchen wie Immobilien, Geldmarktwerte und mehr.
Doch nicht jeder Index ist gleich aussagefähig: Manche Indizies wie der Deutsche Aktienindex DAX geben einen allgemeinen Standard vor, andere verfolgen sehr spezielle Ziele. Ein Blick auf Konzept und Historie des Index ist also immer zu empfehlen.
Privaten Anleger:innen ermöglichen Indexfonds, sogenannte ETFs („exchange traded funds"), vor allem auf Standardwerte jedenfalls einen bequemen, risikoarmen Marktzugang.
Sowohl als auch – ein einfacher Einstieg
- Level: Anfänger bis Fortgeschritte
- Level: passiv
Mit der sogenannten Hantel-Strategie teilen Sie Ihre Anlagesumme in zwei Laufzeiten, zum Beispiel vier und zehn Jahre. Sie erzielen so eine Durchschnittslaufzeit von sieben Jahren – aber mit gestreutem Risiko. Gleichzeitig ist der Teilbetrag der vierjährigen Anleihe in absehbarer Zeit verfügbar.
Kaufe und behalte – der Klassiker
- Level: Anfänger bis Fortgeschritten
- Engagement: passiv
Englisch „buy and hold" genannt, beruht diese Strategie auf der Erfahrung, dass Kursschwankungen sich langfristig immer ausgleichen. Sie kaufen Wertpapiere und lassen sie möglichst lange in Ruhe arbeiten. Ein Horizont von fünf Jahren ist dabei das Minimum.
Die Theorie dazu stammt von dem wohl berühmtesten Investor, André Kostolany: Auf lange Sicht setzen sich nach seiner Erkenntnis immer die Basisdaten durch wie Leistungsfähigkeit oder das allgemeine Wachstum in Unternehmen, Branchen etc.
Alles auf eine Karte – mit klarem Ziel
- Level: Anfänger bis Fortgeschritten
- Engagement: passiv
Die „Ballen-Strategie" eignet sich, wenn Sie ein klares Ziel in einem bestimmten Zeitabstand vor Augen haben und dafür möglichst viel Liquidität benötigen, z. B. nach Ende der Laufzeit ein Haus kaufen wollen. Dann investieren Sie das für diese Anlage vorgesehen Kapital in eine – möglichst gut bewertete – Anleihe.
Gegen den Strom - heute fast unvermeidlich
- Level: Fortgeschritten
- Engagement: aktiv
Antizyklisch anlegen ist für den Moment praktisch alternativlos geworden. Ein günstiger Einkauf scheint das Beste, was man der aktuellen Lage abgewinnen kann. Auf nachhaltig steigende Kurse wird man eine Weile warten müssen, doch dann heißt es: Verkaufen – möglicherweise mit recht ansehnlichen Gewinnen.
Mit dem Strom - das Momentum nutzen
- Level: Fortgeschritten
- Engagement: aktiv
Die prozyklische oder auch Momentum-Strategie setzt auf Anlagewerte, die sich momentan oder in absehbarer Zeit positiv entwickeln. Wer hier kauft, nutzt quasi das „Momentum" einer Bewegung aus – verkauft werden sollte, wenn die Kursbewegung nachlässt.
Die folgenden Anlagestrategien sind vor allem für erfahrenere Privatanleger:innen geeignet. Sie sollten in der Lage sein, die Kenndaten Ihres Investments genauer unter die Lupe zu nehmen, also die jeweiligen Unternehmen, Märkte, Volkswirtschaften etc.
Die Größe zählt – Bluechips only
- Level: Einsteiger
- Engagement: passiv
Mit der Size-Strategie setzen Sie auf Größe – meist von börsennotierten Unternehmen, doch lässt sich diese Strategie auch gut auf andere Bereiche wie zum Beispiel Offene Immobilienfonds übertragen. Was hier zählt, sind Marktwert, Umsatz, Gewinn oder ähnliche Kenndaten. Die Idee dahinter: Wer so groß ist, ist auch stabil und wird sich nach Einbrüchen bald wieder fangen.
Was rauskommt, zählt – Dividende
- Level: Sehr fortgeschritten
- Engagement: aktiv
Die Dividendenrendite signalisiert anders als der Aktienkurs die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens sehr direkt. Mit dieser Strategie setzen Sie folglich auf Unternehmen, die nicht unbedingt die größten, aber nachhaltig erfolgreich sind. Eine typische Anlage können die „Hidden Champions" in der jeweiligen Vergleichsgruppe sein.
Was drin steckt, zählt – die Wertentwicklung
- Level: Profi
- Engagement: aktiv
Mit dieser sogenannten Value-Strategie folgen Sie der Methode von Warren Buffet: Sie setzen auf unterbewertete Anlagen mit einem Potenzial für Wertzuwachs.
Voraussetzungen sind dazu allerdings eine genaue Analyse der Leistungsdaten, des Markts und Umfelds eines Unternehmens ebenso wie allgemeine betriebswirtschaftliche und Marktkenntnisse.
Die Zukunft zählt – durch Wachstumschancen
- Level: Profi
- Engagement: aktiv
Die Growth-Strategie ist für Anleger:innen mit Spürnase – und einer gehörigen Portion Idealismus und Risikobereitschaft: Sie investieren in Bereiche, in denen Sie für die Zukunft ein deutliches Wachstum erwarten.
Das müssen keine bekannten oder bereits erfolgreichen Unternehmen sein. Gewählt werden hier oft Start-Ups mit zukunftsorientierten Tätigkeitsfeldern wie Künstlicher Intelligenz, Bionik oder Umwelttechnologien. Das Prinzip ist aber auch auf Regionen, Infrastruktur- und Immobilienprojekte oder andere Anlageformen übertragbar.
Im Staffellauf – Liquidität erhalten
Die Anlagestrategie, von der Sie kürzlich gelesen haben, ist nicht dabei? Kein Wunder: Profis haben jede Menge weiterer Strategien mit klangvollen Namen im Werkzeugkoffer. Dabei handelt es sich jedoch oft einfach um Varianten dieser Verfahren, teilweise angereichert mit komplizierten analytischen Berechnungen.
Das sollte Sie aber nicht irre machen. Auch wird jeder Profi zugeben, dass bei Geldanlagen immer ein Unsicherheitsfaktor bleibt und Strategien den Erfolg zwar wahrscheinlicher machen, niemals aber garantieren können.
Die beste Anlagestrategie finden
Beliebte Fallstricke, die Sie besser vermeiden
- Verlockende Performance
Bleiben Sie misstrauisch gegenüber schönen Zahlen. Viele Wertpapiere schaffen es erst in die Nachrichten, wenn der Run schon wieder vorbei ist. - Versteckte Kosten
Behalten Sie Ihre Depotgebühren, Steuern und sonstigen Abzüge im Auge. Dort wurde schon aus mancher Rendite eine Null. - Vertraute Werte
Auch bekannte Anlagen können schwächeln. Schauen Sie sich also ruhig ab und zu auch in fremden Gärten um. - Verunsichernde Datenflut
Selbst wenn Sie Ihre Anlage aktiv verwalten – zu viel ist zu viel. Täglich mehrmals die Kurse aufzurufen, führt nur zu unnötiger Nervosität.
Anlagestrategie 2022: Einen kühlen Kopf bewahren – doch wie?
Die Märkte haben sich nach dem ersten Corona-Schock erstaunlich gut erholt. Dennoch wäre ich vorsichtig, bereits heute von einem belastbaren Aufschwung auszugehen. Manches ist weiterhin unsicher, wie zum Beispiel die Frage, wie gut viele wichtige Länder die volkswirtschaftlichen Folgen der Krise meistern. Auch „alte Bekannte" wie der Niedrigszins und geopolitische Krisenherde sind nach wie vor zu berücksichtigen.
In diesen unsicheren Zeiten helfen Strategien, längerfristige Perspektiven zu entwickeln. Einige mögliche Ansätze dazu möchte ich Ihnen zum Abschluss an die Hand geben:
- Bleiben Sie cool, auch wenn manche Anlagewerte nun plötzlich rasant nach oben schießen. Euphorie ist ein ebenso schlechter Ratgeber wie Panik. Schichten Sie nur um, wo Sie nachhaltige, langfristige Chancen sehen.
- Gehen Sie eher in die Breite: Erweitern Sie, wenn möglich, die Diversifikation in Ihrem Portfolio, ohne das Risikoprofil zu verändern. Gerade die aktuelle Krise hat gezeigt, wie vorteilhaft eine breite Basis sein kann.
- Bleiben Sie vor allem geduldig. Gewachsen ist in den vergangenen Jahren sicher das Bewusstsein für nachhaltige, langfristige Perspektiven – und damit auch die Chancen von Unternehmen und Branchen, die für diese neue Welt gerüstet sind. Eine rationale, strategische Verwaltung Ihrer Geldanlagen passt da hervorragend ins Bild.
Über den Autor
Im Netz kursieren manchmal schwer verdauliche Definitionen aus unterschiedlichen Quellen. Grundlegendes Fachwissen, einfach und kompakt erklärt, ist hingegen selten anzutreffen. Mit meinen Beiträgen möchte ich Ihnen zunächst das Basiswissen vermitteln und Sie im Anschluss dazu einladen, gemeinsam darauf aufzubauen. Dabei bediene ich mich vieler anschaulicher Beispiele aus meiner über 20-jährigen Erfahrung im Commerzbank Konzern und erkläre komplexe Sachverhalte mithilfe von Grafiken und Vergleichen.
Mein Wunsch ist es, Sie mit profundem Wissen auszustatten. Das Thema „Finanzielle Allgemeinbildung“ ist seit vielen Jahren etwas, wofür ich mich tatkräftig engagiere. Das Ziel ist es, dass Sie am Ende eigenständig die richtige finanzielle Entscheidung für Ihr Leben treffen können.
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen!